Immobilien im Metaverse

von Real zu Virtual Estate – und zurück?

Immobilien im Metaverse:

von Real zu Virtual Estate – und zurück?

2021 betrug der Umsatz mit Metaverse-Immobilien rund 500 Millionen Euro, 2022 soll es bereits eine Milliarde sein. Ging es bei realen Immobilien bisher vor allem um Schutz als Wohnraum, Investment und Status – wohin geht die Reise dann bei Virtual Estate, wenn der Schutz keine Rolle spielt und nur noch Investment, Spekulation und Status im Vordergrund stehen? Denn wohnen muss im Metaverse niemand. Wo liegen der Spass, Nutzen und Parallelen zu Real Estate? Und die Risiken? Janine Yorio, CEO von Everyrealm sagt dazu: «Es gibt grosse Risiken, aber potenziell auch grosse Gewinne.»

Raphael Imhof , 27. Juli 2022

«Lage, Lage, Lage» – auch virtuell?

Wer zum Beispiel Decentraland betritt, startet seinen Besuch in der Regel an einem zentralen Ort, der Genesis Plaza in diesem Fall. Die Parzellen darum herum haben daher eine erhöhte Chance, per Zufall erkundet zu werden, spielen also Laufkundschaft und Frequenzen auch virtuell eine wichtige Rolle? Wie auch in der realen Welt Immobilien an zentralen, stark frequentierten Orten oft wertvoller sind, spielt dies auch bei Virtual Reality eine Rolle, auch wenn man in Metaversen mittels Koordinaten und Mausklicks herumspringen kann. Und die Nachbarschaft scheint eine grosse Rolle zu spielen: Der Rapper Snoop Dogg hat auf Sandbox seine eigene kleine Welt eingerichtet, das Snoopverse. Im November 2021 lud er dort für 4’000 Dollar pro Ticket zu einer VIP-Party in seine virtuelle Villa ein. Ein angrenzendes Grundstück erzielte daraufhin einen rekordhohen Preis von 450’000 USD. 2,4 Millionen US-Dollar ist der bisherige Rekordwert in allen Metaversen: Zu diesem Preis wechselte ein virtuelles Grundstück auf Decentraland im November 2021 den Besitzer.

Es geht virtuell vor allem um Büro-, Retail- und Hospitality-Immobilien – wohnen spielt eine untergeordnete Rolle, in eine schicke Villa wird nur zu Repräsentationszwecken privat und/oder geschäftlich investiert. Wenn diese auf einer tropischen Insel liegt und Wasseranstoss sowie schöne Sonnenuntergänge zu bieten hat, um so besser. Auch virtuell wird also die Makro- und Mikrolage betrachtet.

Und auch virtuell ist Land ein knappes Gut, auf Decentraland zum Beispiel, misst eine Parzelle 16 x 16 Meter und wird als NFT dargestellt. Die Anzahl der Grundstücke ist auf 90’000 begrenzt, was zu einer künstlichen Verknappung führt. Doch was passiert, wenn auf einmal Land digital um- bzw. eingezont wird und damit mehr bebaubares Land geschaffen wird? Oder wenn eine Plattform als Ganzes aufgibt?

Decentraland vs. Sandbox metaverse real estate emonitor

Zwei der grossen Player im Metaverse: The Sandbox & Decentraland

Chancen für Entwickler?

In der realen Welt brauchen Sie einen Architekten, verschiedene Planer, Bauunternehmen, möglicherweise einen General- oder Totalunternehmer, der das Projekt für Sie übernimmt und schlüsselfertig übergibt. «Tokenfertig» würde das übertragen ins Metaverse wohl heissen. Wie sicher, ethisch und vertrauenswürdig können Metaversen sein? Man wird nicht so einfach feststellen, wem man gerade im Metaverse begegnet und wie es um das Vertrauen in diesen «Avatar» bestellt ist. Und die rechtlichen Rahmenbedingungen werden von Unternehmen und nicht von Staaten definiert. Wenn man das Gebaren verschiedener Tech-Unternehmen betrachtet, ist dies nicht sehr vertrauenserweckend. Wie werden weiter Identitäten geprüft, denn auch bei der virtuellen Identität kommt es auf Einkommen, Beschäftigung und Vermögen an. Alles kann sowohl in der realen wie virtuellen Welt erwirtschaftet und abgebildet werden. Beim Verkauf wird es weniger eine Rolle spielen, da die Beträge in der Regel noch nicht so hoch sind, bei Vermietungen wird ein «virtueller Betreibungsauszug», etc. an Bedeutung gewinnen.

Everyrealm zahlte 4,3 Millionen Dollar für Land in «The Sandbox». Und entwickelt daraus nun verschiedene Immobilienprojekte und -konzepte: 100 NFT-Inseln, genannt Fantasy Islands, wurden entwickelt, 90 der Inseln wurden bereits am ersten Tag für je 15’000 Dollar verkauft. Everyrealm wurde passenderweise von Atari, früher ein PC-Hersteller, heute ein Videospiele-Produzent, übernommen.

Fantasy Islands Everyrealm emonitor metaverse

Fantasy Islands von Everyrealm

Verschiedene IT-Job-Profile werden in der realen Welt damit wichtiger, um Metaversen zu entwickeln: AR-Entwickler, Produktentwickler:innen, Game-Designer, Storyteller, Hardware-Entwicklerinnen und Metaverse-Marketingexperten. Oder andere wie Deep Learning, Metaverse Research Scientist oder natürlich Cybersecurity-Spezialisten sowie Metaverse-Legal-Specialists. Für den Immobilienbereich dürften dies Digital Interior Designer und Architekten sowie Makler für virtuelle Immobilien sein.

Tal and Oren Alexander, die Überflieger des US-Luxus-Immobilienmarkts mit Kunden wie Kanye West und Tommy Hilfiger, setzen zum Beispiel neu auch stark auf den Virtual Estate-Markt im Metaverse. Dazu haben sie eine Partnerschaft mit dem führenden Metaverse-Immobilienentwickler Everyrealm geschlossen, um Filetstücke davon zu vermarkten.

Neben den Fantasy Islands hat Everyrealm zum Beispiel das Metajuku, inspiriert durch das japanische Modeviertel Harajuku, und auch die ASMR Soundlands entwickelt. ASMR-Sounds, sind Sound- und Geräuschkulissen, die helfen, zu entspannen. Werden Metaversen also auch ganz besinnlich?

Auch für Banken ergeben sich im Metaverse neue Möglichkeiten. Nicht nur zur Kundenansprache, sondern auch ganz «handfeste» Produkte sind auch in Metaversen gefragt: Hypotheken für virtuelle Immobilien werden bestimmt ein Thema, wenn die Preise noch weiter steigen werden und Immobilien nicht mehr aus der «Portokasse» bezahlt werden. Dann werden Finanzierungsmöglichkeiten interessanter – auch wenn sie noch eine Weile hochspekulativ bleiben werden und sich die Bankenwelt 2008 an solchen Produkten ordentlich die Finger verbrannt hat. Fonds, die nur aus virtuellen Immobilien bestehen oder auch eine Mischung aus Virtual und Real Estate sind ebenfalls denkbar. Sicherheiten und Dokumente, die eine Finanzierung erlauben, müssen erst noch definiert werden.

Auch für Dienstleister für Entwickler und Investoren ergeben sich neue Geschäftsfelder. Der Analyse- und Datenspezialist Wüest Partner hat dazu vor Kurzem «The Sandbox Research Map Wüest Meta» lanciert. Auf der Sandbox Research Map werden die interessantesten Standorte und Potenziale für virtuelle Immobilien gezeigt. Präzise nach Koordinaten und auf den USD-Cent genau.

Real und virtuell – hybride Immobilien

Ein etwas anderer digitaler Zwilling wurde nun im Metaverse Sandbox erstellt: Als erste «Metareal-Villa» wurde in Florida und in «The Sandbox» kürzlich das erste wirklich hybride Immobilienprojekt verwirklicht: Die Luxusvilla mit unzähligen Schlaf- und Badezimmern und allem erdenklichen Luxus, wurde nicht nur real gebaut, sondern gleichzeitig als «digitaler Zwilling» auch in The Sandbox. Hier verschmilzt die reale und virtuelle Welt tatsächlich.

Auch in der Schweiz tut sich was dazu: «Wer bei Walde eine Neubauwohnung kauft, soll in nicht allzu ferner Zukunft den digitalen Zwilling dazu erhalten». Wie detailliert dieser aussieht, ist aus den Informationen nicht klar ersichtlich und ob er in einem Metaverse oder online bei Walde abgebildet, begeh- und erlebbar wird, ebenfalls noch nicht.

Im Planungsprozess rücken reale und virtuelle Welten seit Längerem näher zusammen: Eine gemeinsame Begehung von noch nicht gebauten Gebäuden mittels Virtual Reality ist bereits gut möglich. Niemand muss mehr von A nach B fahren oder fliegen, um einen besseren Eindruck eines Gebäudes oder dessen Inneneinrichtung zu erhalten. Haptik und Düfte werden noch eine Weile auf sich warten lassen, aber das reine Sehen und Diskutieren in einem Team bietet beispielsweise die Schweizer Firma Hegias bereits an. Und auch Ganzkörperanzüge, die ein Erleben mit allen Sinnen ermöglichen, schweben Mark Zuckerberg bereits vor.

Metaverse-Immobilien vermieten?

Angelica Saldana ist hauptberuflich Krypto-Investorin und setzt auch auf Immobilien im Metaverse. Aktuell besitzt sie davon mehr als 20. Wie Investoren in reale Immobilien ist sie aktuell dabei, passives Einkommen aus Vermietung aufzubauen. Wie oben schon bemerkt, geht es im Metaverse vor allem um Büro-, Retail- und Hospitality-Immobilien sowie repräsentative Immobilien für private und geschäftliche Zwecke. Oder doch auch um Kurzferien am Strand und Me-Time, wenn es selbst ASMR-Objekte gibt? Das würde ja wunderbar in die Zeit passen.

Shops in Projekten wie Metajuku lassen sich bestimmt vermieten. Galerien, Büros und Event-Locations auch. Ganz besonders für die Live-Kommunikation bzw. die MICE-Branche sieht man neue Möglichkeiten. Konzerte wurden schon erfolgreich durchgeführt: Vier Millionen Menschen sollen mit ihren Avataren im Mai 2021 einer Show von Zara Larsson in der Game-Welt von Roblox gefolgt sein. Millionen Fans waren mit dabei, als letzten Sommer Ariana Grande Konzerte auf Fortnite gab.

Wie in der analogen Welt, wird es für die Vermietung auch online Prozesse geben, die die Prüfung von Kandidaten, die Präsentation und Führungen ermöglichen. Online ist dies bereits heute einfacher zu organisieren, als in der realen Welt. Identity- und Access-Management müssen dazu sicher und einfach handelbar sein.

Die Technologien für Immobilien im Metaverse

Die Blockchain und ihre nach wie vor bekannteste Anwendung, die Kryptowährungen, bilden zusammen die Basis für Immobiliengeschäfte im Metaverse: Zum einen können Besitzverhältnisse, Nutzungsrechte und Transaktionen von digitalen Vermögensgegenständen eindeutig durch Blockchain-Technologien nachgewiesen und geschützt werden: Non-Fungible Tokens (NFTs) bilden dabei die Grundlage für digitale Rechte und digitales Eigentum, bezahlt werden sie mit Kryptowährungen.

Die Handelszeitung, die auch mit den ersten Gehversuchen im Second Life vergleicht, zu Fragen der Technologie für Metaversen: «Die Verfügbarkeit von Cloud, Blockchain beziehungsweise Distributed-Ledger-Technologie (DLT), VR-Lösungen oder einem sichereren Identity- und Access-Management erhöht die Erfolgsaussichten von Metaversen heute erheblich. War der «Linden Dollar» noch mühsam, unsicher und unreguliert, so sind Blockchain und DLT einfacher, transparenter und fälschungsfrei. Die Nutzerinnen und Nutzer auf den Metaverse-Plattformen werden funktionierende Wirtschaftssysteme erwarten, in denen sie Geld ausgeben oder verdienen können.»

Raphael mag verschiedene Hüte: Als Initiator der Marketing-Beratung Content hochzwei, Immobilientwickler (seit Kurzem), ehemaliger Banker und Marketingleiter in verschiedenen Branchen. Dazu kommen ein Faible für Technologie und Herzblut für Nachhaltigkeit.

Autor

Raphael Imhof