Netto-Null 2050
Utopie oder ein erreichbares Ziel?
Netto-Null in der Schweiz bis 2050
Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 Netto-Null zu erreichen. Ist dieses Ziel realistisch oder handelt es sich eher um eine utopische Vorstellung? Bei welchen Sektoren muss der Hebel angesetzt werden, um dem Ziel näher zu kommen? Und wie kann insbesondere der Immobiliensektor bis 2050 klimaneutral werden?
emonitor Team, 12. März 2024
Um die o.g. Fragen zu beantworten und zu beurteilen, ist ein grundlegendes Verständnis von Netto-Null und seiner Bedeutung erforderlich.
Was bedeutet Netto-Null?
Netto-Null bezeichnet den Zustand, in dem die von menschlichen Aktivitäten verursachten Treibhausgasemissionen vollständig kompensiert werden, sodass die Nettoemissionen null sind. Dies bedeutet, dass jede erzeugte Emission durch entsprechende Massnahmen, wie CO2-Auffang und -Speicherung oder den Einsatz erneuerbarer Energien ausgeglichen werden muss.
Wie kann das erreicht werden? Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, den Einsatz von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und stattdessen verstärkt auf erneuerbare Energien zu setzen. Auch Wälder und andere natürliche Kohlenstoffsenken spielen eine entscheidende Rolle bei der Absorption von CO2 aus der Atmosphäre und tragen somit zur Reduzierung der Nettoemissionen bei. Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern sind daher von grosser Bedeutung für die Erreichung von Netto-Null.
Die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen
Verkehrssektor
Der Weg zu Netto-Null ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Eine der grössten Herausforderungen besteht darin, die Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren, insbesondere im Strassenverkehr, der einen erheblichen Anteil an den Gesamtemissionen hat. Um die Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren, wurden verschiedene Massnahmen ergriffen. Dazu gehören die Förderung des öffentlichen Verkehrs, die Verbesserung der Infrastruktur für Fahrradfahrer und Fussgänger sowie die Einführung von umweltfreundlichen Transportlösungen wie Wasserstoff- und Elektrobusse.
Mit einem Anteil von beinahe 24 Prozent ist der Immobiliensektor der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen.¹ Um den Immobiliensektor bis 2050 klimaneutral zu machen, müssen die Treibhausgasemissionen aus dem Gebäudesektor also deutlich reduziert werden. Folgende Massnahmen können zur Erreichung des Zieles beitragen:
- Energetische Sanierungen: Die energetische Sanierung von Gebäuden ist der wichtigste Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus dem Gebäudesektor. Durch eine energetische Sanierung können die Energiekosten gesenkt und der Wärmebedarf der Gebäude deutlich reduziert werden.
- Umstellung auf erneuerbare Energien: Die Umstellung auf erneuerbare Energien ist ebenfalls ein wichtiger Schritt zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors. Erneuerbare Energien, wie Solarenergie, Windenergie und Geothermie, können die fossilen Brennstoffe in der Gebäudeheizung und -stromversorgung ersetzen.
- Nachhaltigkeit im Neubau: Beim Neubau von Gebäuden sollte von Anfang an auf Nachhaltigkeit geachtet werden. Dies bedeutet, dass die Gebäude energieeffizient und mit erneuerbaren Energien ausgestattet sein sollten.
Die Umsetzung dieser Massnahmen erfordert ein starkes Engagement aller Beteiligten, darunter der Gebäudeeigentümer, der Immobilienwirtschaft, der Politik und der Gesellschaft.
¹Quelle: Credit Suisse Artikel «Wohnen ohne Treibhausgasemissionen bis 2050 – Utopie oder Realität», veröffentlicht am 02.03.2023
Industriesektor
Die Hauptquelle der Emissionen im Industriesektor ist die Produktion von Strom, gefolgt von der Verarbeitung von Metallen und der Herstellung von Zement.
Energieproduktion
Die Nutzung von fossilen Brennstoffen zur Energieerzeugung in Industrieanlagen kann zu erheblichen CO2-Emissionen führen. Dies betrifft beispielsweise die Verbrennung von Kohle, Öl oder Gas.
Landwirtschaftssektor
Die Hauptquelle der Emissionen im Landwirtschaftssektor ist die Viehhaltung, gefolgt von der Abfallwirtschaft. Die Emissionen aus dem Landwirtschaftssektor entstehen hauptsächlich durch die Ausscheidung von Methan und Lachgas durch Nutztiere, die Zersetzung von organischen Abfällen und die Verbrennung von Biomasse.
Die Klimaziele der Schweiz
Um das ehrgeizige Netto-Null-Ziel bis 2050 zu realisieren hat der Bund eine umfassende Klimapolitik entwickelt, die verschiedene Massnahmen und Strategien umfasst.
Die aktuelle Klimapolitik der Schweiz
Die Schweiz hat bereits eine Reihe von Massnahmen ergriffen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den Übergang zu erneuerbaren Energien zu fördern. Dazu gehören beispielsweise die Förderung von Elektromobilität, die Verbesserung der Energieeffizienz bei Gebäuden und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien.
Darüber hinaus hat die Schweiz verschiedene internationale Abkommen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen unterzeichnet und sich verpflichtet, ihre eigenen Emissionen bis 2030 und 2050 erheblich zu senken.
Netto-Null 2050: Utopie oder erreichbares Ziel?
Die Frage, ob Netto-Null 2050 in der Schweiz utopisch oder erreichbar ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Es gibt verschiedene Expertenmeinungen und Einschätzungen zu diesem Thema.
Die Machbarkeit von Netto-Null bis 2050
Einige argumentieren, dass das Ziel von Netto-Null bis 2050 technisch und wirtschaftlich machbar ist. Sie weisen auf die Fortschritte bei erneuerbaren Energien, Energieeffizienzmassnahmen und der Entwicklung von CO2-Auffangtechnologien hin. Es gibt jedoch auch skeptische Stimmen, die Zweifel an der Machbarkeit des Ziels äussern. Sie argumentieren, dass es Herausforderungen gibt, die nicht leicht zu überwinden sind, insbesondere im Hinblick auf den Ersatz von fossilbetriebenen Fahrzeugen und den Umbau der Energieinfrastruktur.
Gemäss der Bundesregierung, soll die Schweiz bis zum Jahr 2050 in der Lage sein, 12 Millionen Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen und endgültig zu speichern (Negativ-Emissionen). Um unter dem Strich also keine Emissionen auszustossen, dürfen die Emissionen im Jahr 2050 diese 12 Millionen Tonnen nicht überschreiten. Gegenwärtig beträgt der CO₂-Ausstoss der Schweiz das Dreieinhalbfache dieses Ziels, nämlich rund 45 Millionen Tonnen pro Jahr. Laut Marco Mazzotti, Professor für Verfahrenstechnik an der ETH Zürich sind 12 Millionen Tonnen Negativ-Emissionen bis 2050 möglich, aber es sei eine grosse Herausforderung.²
In den verschiedenen Sektoren können Massnahmen ergriffen werden, um den Ausstoss auf null zu reduzieren. Wie bereits erwähnt, können im Verkehrssektor beispielsweise Elektromotoren konventionelle Verbrennungsmotoren ersetzen. Im Immobiliensektor können beim Heizen Wärmepumpen anstelle von Gasheizungen eingesetzt werden. Eine grosse Challenge stellt sich hingegen in der Landwirtschaft und insbesondere bei der Betonproduktion dar. Die in diesen Bereichen freigesetzten Treibhausgase müssen entweder an anderen Stellen oder direkt am Entstehungsort durch negative Emissionen wieder abgefangen werden.
²Quelle: SRF-Artikel «Negative Emissionen – Wir müssen jetzt anfangen!» von Klaus Ammann, veröffentlicht am 07.06.2023
FAZIT: Es lässt sich sagen, dass es für die Erreichung von Netto-Null bis 2050 noch einiges zu tun gibt für die Schweiz. Auch im Immobiliensektor, der für einen Viertel der Treibhausgasemissionen in der Schweiz verantwortlich ist. Ob es sich insgesamt um ein erreichbares Ziel handelt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Die Lösung liegt in einer umfassenden und koordinierten Anstrengung aller Akteure, von politischen Entscheidungsträgern über Unternehmen bis hin zur Bevölkerung.Unabhängig von der endgültigen Antwort ist das Ziel von Netto-Null ein wichtiger Leitfaden für die Entwicklung einer nachhaltigen und klimafreundlichen Zukunft für die Schweiz und die Welt.